„Der Klarinettenbau von Streitwolf mit einem neuartigen Klappensystem war Anfang des 19. Jahrhunderts eine Innovation“, sagt Ryoto Akyiama, Leiter der Musikinstrumentensammlung der Universität Göttingen. Das Besondere daran: Das Holzblasinstrument, das aktuell im Raum „Labor“ des Forum Wissen ausgestellt ist, verfügt über 13 Klappen.
„Streitwolf hat also nicht nur gängige Instrumente nachgebaut, sondern auch dazu beigetragen, den virtuosen Anspruch der Musik zu verändern“, so der Musikinstrumenten-Experte.
Ryoto Akiyama forscht zum Leben und Werk des Göttinger Instrumentenbauers Johann Heinrich Gottlieb Streitwolf. Dabei geht es ihm nicht nur – wie sonst in der Musikinstrumentenkunde üblich – um technische Fragen zur Entwicklung der Instrumente. Sondern es geht ihm vor allem auch um die Frage, wie Streitwolf innerhalb dieser Universitätsstadt arbeitete, mit wem er sich austauschte. Die interdisziplinäre Perspektive dieser Forschung wird aktuell in zwei Vitrinen in den Räumen des Wissens im Forum Wissen vorgestellt.
Johann Heinrich Gottlieb Streitwolf (1779-1837) wurde in Göttingen geboren und wuchs hier auf. Streitwolf spielte im akademischen Orchester unter der Leitung von Johann Nikolaus Forkel (1749-1818), dem akademischen Musikdirektor, und schrieb sich an der Universität ein – zunächst in den „Schönen Wissenschaften“, die wahrscheinlich Musik und Kunst umfassten. Davon zeugt das ausgestellte Matrikelbuch, in das Streitwolf als Student eingetragen wurde.
1809 begann Streitwolf mit seinem Flötenbau. „Was kaum bekannt ist – Göttingen war gegen Ende des 18. Jahrhunderts und zu Beginn des 19. Jahrhunderts ein bedeutsamer Ort für den Bau von Musikinstrumenten – allen voran von Holzblasinstrumenten“, sagt Akyiama. Auf der Goethe-Allee gab es Werkstätten für Tasten- und Holzblasinstrumente. Die spätere Werkstatt von Streitwolf befand sich aber in der Kurzen Straße. – Wenn er nur ein paar Schritte nach Süden rausspazierte, gelangte er zum chemischen Laboratorium.
Die Klarinette ist im Raum „Labor“ ausgestellt. „Das überrascht viele Besucherinnen und Besucher‘“, sagt Kuratorin Gabriella Szalay. „Doch das passt auch sehr gut“, ergänzt sie, „denn die Werkstatt eines Handwerkers ist ein bisschen wie ein Labor: Der Handwerker experimentiert mit verschiedenen Materialien, er untersucht, welche Materialien am besten für die Produktion geeignet sind.“
Im Raum „Werkstatt“ ist eine Querflöte von Streitwolf ausgestellt, zusammen mit einem Kommerzbericht aus dem Jahr 1829, in dem die Aufträge aus dem Vorjahr verzeichnet sind, u.a. 51 Flöten und 31 Klarinetten. Die Nachfrage war also offenbar sehr gut. Die hohe Qualität seiner Flöten war überregional bekannt.
Zwischenzeitlich hatte Streitwolf sein Studium wieder aufgenommen. Er befasste sich dann mit Fächern wie Mathematik und Chemie. „Streitwolf wollte wissenschaftlich fundierte Kenntnisse über die Materialverarbeitung gewinnen, mit der er als Instrumentenbauer zu tun hatte.“, sagt Ryoto Akiyama. So leistete der Instrumentenmacher Streitwolf einen entscheidenden Beitrag zum zeitgenössischen Blasinstrumentenbau.