Eine Ausstellung, eine Datenbank, ein Raum – für alle gemeinsam. Mittlerweile gibt es das und trotzdem treffen sie sich noch, die Kustod*innen aus den Sammlungen der Uni Göttingen. Nun schon zum einhundertsten Mal.
Angefangen hat es 2009: Damals wollte sich die wissenschaftliche Kommission Niedersachsens (sie berät die Landesregierung) ein Bild von den akademischen Sammlungen machen. Ihr Weg führte sie daher auch nach Göttingen. „Wir hatten damals kaum Kontakt untereinander. Umso überraschender war es daher für uns zu merken: Wir haben die gleichen Interessen, die gleichen Bedürfnisse, auch wenn wir aus ganz unterschiedlichen Fächern kommen“, beschreibt Daniel Graepler die Situation. Der Wissenschaftler kümmert sich um die Objekte von drei archäologischen Sammlungen. Er ist einer von rund 40 Kustod*innen an der Uni Göttingen.
Die Ausstellung
Sie setzen sich dafür ein, dass Münzen, Musikinstrumente oder mathematische Modelle artgerecht untergebracht sind und gepflegt werden. Immerhin wollen Forscher*innen und Student*innen sie nutzen, und auch Besucher*innen ihre Freude daran haben. Das war unter anderem 2012 der Fall: Zum 275-jährigen Jubiläum der Uni Göttingen luden die Kustod*innen zur Ausstellung „Dinge des Wissens“ in die Göttinger Paulinerkirche ein. Ein voller Erfolg! Über Zehntausend kamen damals. Viele von ihnen staunten über die Vielfalt der Objekte und die ungewöhnliche Welt des Sammelns, Ordnens und Erkennens.
„Von der ersten Idee bis zu den Führungen oder dem Abbau der Ausstellung, wir haben damals alles gemeinsam organisiert und umgesetzt“, sagt Graepler immer noch stolz. Doch er und seine Mitstreiter merkten auch schnell, was fehlte: eine gemeinsame Plattform, in der alle Objekte beschrieben und auffindbar sind.
Das Sammlungsportal
Mit den Kolleg*innen vom Bibliotheksverbund, der Zentralen Kustodie und der Staats- und Universitätsbibliothek der Uni Göttingen haben sie daher begonnen, eine Datenbank aufzubauen – das Sammlungsportal. Aktuell verzeichnet es über 80.000 Objekte aus den Göttinger Sammlungen. Jeder kann darauf zugreifen, egal wo er oder sie sich befindet. „Das Portal war eine Antwort auf die Frage, wie wir Ressourcen besser und vor allem gemeinsam nutzen können“, erklärt der Kustos. Denn von sanierungsbedürftigen Räumen über die Restaurierung von Objekten bis hin zur Öffentlichkeitsarbeit – der Bedarf ist in den meisten Sammlungen gleich. „Er wird auch eher größer, ohne dass wir mehr Leute werden“, so Graepler. Daher war er froh, als 2012 die Zentrale Kustodie an der Uni Göttingen ins Leben gerufen wurde. Ihre Aufgabe ist es, die Kustod*innen in all diesen Anliegen zu unterstützen. Zumal die meisten von ihnen hauptberuflich in Forschung und Lehre unterwegs sind, die Pflege der Sammlungen daher überwiegend freiwillig ist.
Der gemeinsame Raum
Und obwohl die Zusammenarbeit nicht immer einfach ist – zu unterschiedlich sind manchmal die Vorstellungen davon, was wie gemeinsam genutzt werden kann – ein Ergebnis fällt auf: das Forum Wissen. „Seit den 1980er-Jahren gab es die Idee eines gemeinsamen Raumes, eine Art Schaufenster unserer Sammlungen“, so Graepler. Im 2022 eröffneten Wissensmuseum ist die Idee nun verwirklicht: Hier sind Objekte aus den Sammlungen der Uni Göttingen öffentlich ausgestellt. Ob Reagenzglas, Schublade oder Fossil – mit ihnen lässt sich zeigen, wie Wissen entsteht.
Ein besonderer Reiz dabei: Die Objekte kommen wie die Kustod*innen aus verschiedenen Fachgebieten. Dadurch wechseln die Perspektiven und Geschichten. Langweilig wird es nicht.
Lust auf mehr
Das motiviert auch zu gemeinsamen Aktionen wie dem Tag der offenen Sammlung, der Vortragsreihe „Sachverstand“ oder den Sonntagsspaziergängen. Jeden Sonntag öffnen das Geowissenschaftliche Museum, die Kunstsammlung und die Sammlung der Gipsabgüsse antiker Skulpturen ihre Türen für Besucher*innen. “Das ist möglich, weil wir gut zusammenarbeiten und uns gegenseitig unterstützen”, so Graepler, der auch Sprecher der Kustod*innen ist. Alle sechs Wochen kommen sie in einer ihrer Sammlungen zusammen, reden darüber, wo ihnen der Schuh drückt, entwickeln Visionen und – schauen sich natürlich auch Objekte an. „Egal ob die Kunsthistorikerin von ihren Bildern erzählt oder der Informatiker von seinen Rechnern, es hören trotzdem alle zu.“ Das ist für Graepler faszinierend und bestärkt offenbar nicht nur ihn, das Miteinander auch in Zukunft fortzusetzen.
Fotos vom 100. Sammlungstreffen: Martin Liebetruth