Die Abteilung Wildtierwissenschaften der Universität Göttingen beherbergt eine bemerkenswerte Sammlung, die auf eine lange und wechselhafte Geschichte zurückblickt. Der Ursprung dieser Sammlung liegt in der zoologischen und forstwissenschaftlichen Forschung der Forstakademie in Hannoversch Münden, die 1868 gegründet wurde. Ursprünglich als Lehrmittel gedacht, hat die Sammlung über die Jahre hinweg erheblich an Umfang gewonnen und umfasst heute etwa 3.000 Objekte.
Heimische und exotische Wildtiere
Die Sammlung bietet einen umfassenden Überblick über die Tierwelt Südniedersachsens. Sie zeigt unter anderem eine Vielzahl bejagter Wildarten wie Rehe, Hirsche und Hasen. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf Geweihen und Hörnern heimischer und exotischer Säugetiere. So wird die enorme Variabilität in Form und Struktur der Geweihe beispielsweise durch die umfangreiche Sammlung von Rehgeweihen veranschaulicht.
Unter den Exponaten befinden sich sehr seltene und wertvolle Stücke wie Geweihe des Davidshirsches und des Schomburgk-Hirsches, die beide in freier Wildbahn ausgestorben sind.
Wissenschaft und Praxis
Die Sammlung dient nicht nur der Wissenschaft, sondern auch als praktisches Lehrmittel für Studierende und Lehrende. So helfen Exponate wie Fußabdrücke, sogenannte Trittsiegel, und andere Spuren dabei, Wildtiere zu identifizieren und ihre Verhaltensweisen besser zu verstehen. Präparierte Skelette von Rothirsch, Wildschwein und Reh veranschaulichen die anatomischen Unterschiede dieser Tierarten.
Ein weiterer Schwerpunkt der Sammlung sind historische Objekte, die die Jagdtradition früherer Jahrhunderte dokumentieren. Dazu gehören Fallen, Jagdwaffen und andere Zeugnisse der Jagdausübung, von denen viele aus dem 1868 aufgelösten Königlich Hannoverschen Jägerhof stammen. Diese Objekte geben nicht nur Einblick in die Jagdmethoden der Vergangenheit, sondern können auch als Quellen zur Jagdgeschichte herangezogen werden.
Ein Blick in die Vergangenheit: Die Forstakademie in Hannoversch Münden
Neben der Sammlung ist auch der Aktenbestand der Forstlichen Fakultät und Forsthochschule Hann. Münden von großer Bedeutung für die geschichtswissenschaftliche Erforschung der forstlichen Wissenschaften. Die Akten, welche bis zum Jahr 1868 zurückreichen, wurden jüngst vom Universitätsarchiv der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen übernommen. Sie sind eine wertvolle Quelle zur Geschichte der Universität, der Region und der Forstwissenschaften. Das Projekt zur Erschließung dieser Akten wird vom Forsthistoriker Dr. Peter-Michael Steinsiek geleitet und erlaubt tiefgreifende Einblicke in die forstwissenschaftliche Forschung und Lehre der vergangenen Jahrhunderte.
Die Forstakademie Hann. Münden wurde 1939 der Universität Göttingen unterstellt. Während des Zweiten Weltkrieges und in den Nachkriegsjahren wurde sie jedoch nicht nach Göttingen verlegt. Steinsiek versucht anhand der Quellen auch die Verbindungen der Forstakademie zum Nationalsozialismus aufzuarbeiten. Dabei geht es unter anderem um personelle Verflechtungen mit dem Regime, den Einsatz von Zwangsarbeitern sowie die Bearbeitung von Forschungsaufträgen der Wehrmacht.
Ein Schatz für Forschung und Lehre noch hinter verschlossenen Türen
Die Sammlung der Abteilung Wildtierwissenschaften der Universität Göttingen stellt einen reichen Fundus für Forschung und Lehre dar, der jedoch nicht öffentlich zugänglich ist. Er steht in erster Linie Studierenden, Forschenden und anderen Fachleuten zur Verfügung. Einen kleinen Einblick in die Sammlung bietet das Sammlungsschaufenster im Forum Wissen, in der einige der besonderen Stücke ausgestellt sind. Hier können die Besucher*innen zum Beispiel den Schädelknochen eines Rehbocks oder auch eine historische Jagdfalle aus dem umfangreichen Bestand der Sammlung betrachten.