Gert Tröster nimmt routiniert Maß. Eine etwa drei mal zwei Meter breite Fläche muss geräumt werden. Wenig Platz für einen Wal.
Dr. Gert Tröster ist Kustos, Wächter ganz im lateinischen Wortsinn. Worüber er wacht sind 120.000 präparierte Tiere. Unter seiner Ägide schlummern winzige Flusskrebse, eingelegt in Alkohol, ebenso wie pelzige Orang-Utans – drapiert, als würden sie gerade über Äste klettern.
Auch das tonnenschwere Skelett eines Pottwals gehört zur Sammlung. Eine ganze Wand musste damals aufgestemmt werden, um den Riesensäuger in das dritte Stockwerk des Zoologischen Museums zu zwängen. Dieser Wal soll nun Gesellschaft durch einen Artgenossen bekommen. Nicht aus Knochen, sondern aus Acrylfarbe und Leinwand.
Die Geburt eines Wales
Ammar Hatem arbeitet tief verborgen in den Kellergewölben des Kultur- und Aktionszentrums Göttingen. Bannt durch seinen Pinsel in Mixed Media Technik konzentriert Insekten wie Fledermäuse auf die Leinwand. „Bereits als Kind hat mich das Tierreich fasziniert. Stundenlang habe ich durch Tieratlanten geblättert“, erklärt der 25-jährige syrische Künstler die Triebfeder seines Schaffens. „Sie mit der Malerei einzufangen ist sozusagen mein Lebenstraum.“
Schon seine Abschlussarbeit an der Universität von Damaskus hatte die Evolution zum Thema. Ammar zeigt sie auf seinem Handy, denn die Bilder selbst lagern noch immer im Bürgerkriegsland.
Es ist diese Faszination, die den jungen, sportlich wirkenden Syrer mit dem Kustoden Tröster verbindet. Der einzigartige evolutionäre Weg des Wals hat es ihm besonders angetan. Aus dem Meer ans Land und danach zurück ins Meer – der Wal ist wie fast kein anderes Säugetier auf das Leben im Wasser ausgerichtet. Er kann, wie sonst nur noch die Seekuh, sogar seine Jungen im Wasser gebären.
Wo Kunst und Kustodie sich treffen
Die Wassergeburt der Waljungen. Auch ein Thema über das Tröster den ganzen Tag schwärmen könnte. Die Begeisterung des altgedienten Kustos hat schon etwas physisch Ansteckendes.
Warum er sich immer wieder dazu entschließt seine kostbare Sammlung auch für die Kunst zu öffnen? „Was Ammar macht und was wir hier machen, ist eigentlich gar nicht so verschieden“, erklärt Tröster. „Wir stellen beide Tiere dar. Ein Präparat ist ja auch nur ein Abbild des lebendigen Tieres.“
Dann verweist Tröster mit lockerer Geste auf eine Reihe von Affenpräparaten, die gerade in der vollgestellten Werkstatt für das Publikum aufgearbeitet werden. Als die ersten Affenfelle nach Göttingen kamen, vor über hundert Jahren, hätten viele der Präparatoren nie einen lebendigen Affen gesehen. Damit war das Präparieren, nur ausgehend von einer Außenhaut auch immer ein kreativer Prozess des Vermutens und Ableitens.
„Ist ein gemaltes Bild da etwas so Grundverschiedenes?“
Alle Bilder: Max Leonard Remke
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Aus der Erde. Eine künstlerische Intervention zur Evolution der Wale
Eröffnungsmatinée: 15. Oktober 2017, 11 Uhr
Kustos Dr. Gerd Tröster und Künstler Ammar Hatem im Gespräch
Ort: Zoologisches Museum, Berliner Str. 28
Laufzeit der Ausstellung: 15. Oktober 2017 bis 14. Januar 2018
Öffnungszeiten: sonntags, 10 bis 16 Uhr
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